Die Münchner Räterepubliken: Soziale Revolte oder politisches Emanzipationsprojekt?
Der Aufstand der Münchner Arbeiter, Soldaten und Bauern, aber auch einiger Schichten des Bürgertums am und nach dem Ende des I.Weltkriegs ist bei weitem nicht die einzige Erhebung gewesen, die aus der allgemeinen Krisenhaftigkeit der Zustände am Ende des Krieges erwuchs. Im Gegensatz zu den übrigen Rätemodellen, die eher im Norden der sich konstituierenden Weimarer Republik zu finden waren, war der bayerischen (oder baierischen, wie sie sich selbst bald nannte) Variante jedoch eine deutlich längere Lebensspanne gewährt. Dies hängt, wie zu zeigen sein wird, vor allem mit der Regierungszeit des rätefreundlichen Kurt Eisner zusammen, unter dessen Mandat sich die Strukturen und Geisteshaltungen, die im Frühling 1919 zur Räterepublik drängten, erst aufbauen und entfalten konnten. Der vorliegende Artikel will sich nur soweit erforderlich mit einer Chronik der Ereignisse oder den handelnden Personen dieser Zeit befassen, dazu ist in der Vergangenheit bereits ausreichend veröffentlicht worden; vielmehr soll es um eine Klärung der Frage gehen, ob es sich bei der Umsetzung des Rätemodells unter Eisner und besonders in den beiden Räterepubliken um einen eher spontanen Ausbruch angestauten Protestpotenzials handelte, der abebbte, sobald nur der Krieg vorbei war, oder ob von politischen Emanzipationsprojekten auszugehen ist, die mit dem monarchisch-obrigkeitsstaatlich organisierten Staats- und Gesellschaftsmodell ernstlich brechen wollten. Dazu wird es nötig sein, sowohl einen Blick auf Ideen eines Rätesystems zu werfen, um einen Begriff von ihrer Umsetzung entwickeln zu können, als auch die tatsächlichen Träger der Revolution (also verschiedene Interessengruppen) auf ihre Ziele zu untersuchen. Ebenso sind die Begleitumstände und zugrundeliegenden Strömungen kurz in Betracht zu ziehen, aus denen heraus die Krisensituation vom Herbst 1918 und ihre Folgen letztlich entstehen konnten.
Es wird sich dabei zeigen, dass das Phänomen der bayerischen Räterepubliken sich monokausalen Zuordnungen entzieht; dass auch Bevölkerungsschichten wie etwa die Bauernschaft beteiligt waren, in denen die Monarchie traditionell ihren stärksten Rückhalt besaß; dass schließlich die Mitwirkung dieser ‚revolutionsfernen’ Schichten, solange sie einzubinden waren, wiederum auf die Revolution zurückwirkte und ihre Ausprägung wesentlich bestimmte.
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